Thomas Hannemann

 

 

 

 

von Rechtsanwalt Thomas Hannemann

 

 


Widerrufsrechte im Mietrecht

Mit dem am 13. Juni 2014 in Kraft getretenen „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ (Bundesgesetzblatt 2013 Teil I, Nr. 58, S. 3642 ff.) ist das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen vom deutschen Gesetzgeber auch auf das Mietrecht ausgeweitet worden, obwohl dies die von der EU ausgehenden Vorgaben nicht vorsehen. Die neuen Regelungen können Mietverträge sowie Vertragsänderungen oder zusätzliche Vereinbarungen erfassen, sofern sich aus diesen für den Mieter eine Zahlungsverpflichtung ergibt.

Ursprünglich galt ein Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und bei abgeschlossenen Verträgen im Fernabsatz (z.B. online-Handel). Der neue § 312 Abs. 4 BGB bindet jetzt aber auch Wohnungsmietverträge in die Widerrufsrechte mit ein, wenn die Wohnung zuvor nicht besichtigt wurde, sofern es sich um einen Verbrauchervertrag handelt         (§ 312 Abs. 1 BGB), also eine Absprache zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher.

312 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Anwendungsbereich

(1) Die Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels sind nur auf Verbraucherverträge im Sinne des § 310 Absatz 3 anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben.

(2) …

(3) Auf Verträge über soziale Dienstleistungen, wie Kinderbetreuung oder Unterstützung von dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Familien oder Personen, einschließlich Langzeitpflege, sind von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur folgende anzuwenden:

 

1.

die Definitionen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und der Fernabsatzverträge nach den §§ 312b und 312c,

2.

  • 312a Absatz 1 über die Pflicht zur Offenlegung bei Telefonanrufen,

3.

  • 312a Absatz 3 über die Wirksamkeit der Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung gerichtet ist,

4.

  • 312a Absatz 4 über die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Entgelts für die Nutzung von Zahlungsmitteln,

5.

  • 312a Absatz 6,

6.

  • 312d Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 246a § 1 Absatz 2 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über die Pflicht zur Information über das Widerrufsrecht und

7.

  • 312g über das Widerrufsrecht.

 

(4) Auf Verträge über die Vermietung von Wohnraum sind von den Vorschriften der Kapitel 1 und 2 dieses Untertitels nur die in Absatz 3 Nummer 1 bis 7 genannten Bestimmungen anzuwenden. Die in Absatz 3 Nummer 1, 6 und 7 genannten Bestimmungen sind jedoch nicht auf die Begründung eines Mietverhältnisses über Wohnraum anzuwenden, wenn der Mieter die Wohnung zuvor besichtigt hat.

 

Verbrauchervertrag
Ist der Vermieter im privatrechtlichen Sinne Unternehmer (Wohnungsunternehmen, private Grundstücksverwaltungen größeren Ausmaßes) und der Mieter Verbraucher, liegt ein Verbrauchervertrag vor (§ 310 Abs. 3 BGB). Nur in diesem Fall hat der Mieter grundsätzlich ein Widerrufsrecht des unterzeichneten Mietvertrags. Die Frist beträgt 14 Tage. Sie gilt aber nur dann, wenn der Vermieter ordnungsgemäß über die Widerrufsmöglichkeiten sowie über die Folgen eines Widerrufs belehrt hat.

 

Mieter muss Verbraucher sein
Verbraucher sind nach § 310 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 13 BGB ausschließlich natürliche Personen, die Verträge zu privaten Zwecken abschließen. Der Vertragsabschluss darf also nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der private Wohnungsmieter, der eine Wohnung nur für seinen privaten Wohnbedarf anmietet, Verbraucher ist. Der Wohnraummietvertrag mit einer Privatperson ist daher als Verbrauchervertrag einzuordnen, wenn der Vermieter Unternehmer (§ 14 BGB) ist.

 

Vermieter muss Unternehmer sein
Die Unternehmereigenschaft kann bei Wohnungsunternehmen nicht zweifelhaft, sondern allenfalls bei privaten Vermietern fraglich sein. Zunächst: Bei der Einordnung als Unternehmer kommt es weder auf gewerberechtliche, noch auf steuerrechtliche Betrachtungen an. Entscheidend ist allein die privatrechtliche Wertung von § 14 BGB. Sie als Wohnungsvermieter sind aber nicht automatisch Unternehmer (§ 14 BGB). Die Unternehmereigenschaft liegt dann vor, wenn die Vermietertätigkeit über die reine Vermögensverwaltung hinaus Erwerbszwecke in der Hauptsache verfolgt. Das wird von den Gerichten unterstellt, wenn die Vermietertätigkeit eine bestimmte Größe erreicht hat. Als Faustformel kann man hier von der dauernden Vermietertätigkeit von 8-10 Wohnungen ausgehen (AG Hannover, Urteil vom 24.09.2009 – 414 C 6115/09, NZM 2010, 197; ebenso: Börstinghaus ZGS 2002, S. 5, 6 m.w.N., der eine Unternehmereigenschaft des Vermieters nach § 14 BGB bei der laufenden Vermietung von 10 Wohnungen bejaht; für die Annahme einer Unternehmereigenschaft bei der Verwaltung von mehr als 6 Wohnungen: LG Görlitz, Urteil vom 23.08.2000 – 2 S 190/99, WuM 2000, 542; AG Frankfurt/Main, Urteil vom 13.02.1998 – 33 C 3489/97, WuM 1998, 418, AG Mühlheim/Ruhr, Urteil vom 18.05.1995 – 10 C 18/95, WuM 1995, 431).

Andere Gerichte stellen darauf ab, dass die Vermietertätigkeit einen solchen Umfang erreicht hat, dass dafür ein Büro benötigt wird und dies nicht mehr ohne weiteres am eigenen Wohnzimmertisch erledigen kann (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2011 – 5 U 1353/10, zit. nach juris-Datenbank; OLG Koblenz, Beschluss vom 10.01.2011 – 5 U 1353/10, MDR 2011, S. 531 = ZMR 2011, S. 547).

Unternehmereigenschaft kann auch anzunehmen sein, wenn der Vermieter aus der Größe der vermieteten Objekte seinen alleinigen Lebensunterhalt bestreitet. Gleiches gilt auch, wenn die Grundstücksverwaltung wegen der Größe eines Objekts oder wegen der Vielzahl mehrerer Objekte einen – auch zeitlich – so großen Umfang einnimmt, dass sie die auf Vertragserzielung gerichtete Tätigkeit des Vermieters im Wesentlichen bestimmt, auch wenn er noch über andere Einnahmequellen verfügt (ausreichend sollen auch 2 Mehrfamilienhäuser als Vermietungs- und Verwaltungsobjekte sein: OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.10.2003 – I-10 U 46/03, ZMR 2003, 921 = WuM 2003, 621; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2004 – I-10 U 70/04, NZM 2004, 866 = NJW-RR 2005, 13 = WuM 2004, 603 – 2 Einfamilienhäuser und eine Einliegerwohnung; LG Karlsruhe, Urteil vom 26.03.1992 – 5 S 154/91, NJW-RR 1992, 973 f – mehrere Mietshäuser, AG Löbau, Urteil vom 29.07.2004 – 4 C 0641/03, WuM 2004, 610 – mehrere Wohnblöcke, nicht aber 5 Wohnungen und 3 Gewerbeeinheiten – OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.02.2010 – 24 U 72/09, ZEV 2010, 417).

Werden diese Dimensionen nicht erreicht, so ist die Vermietung von Immobilien in der Regel keine unternehmerische Tätigkeit, solange sie nicht zu einem anderen Geschäftsbetrieb – etwa zu einem Maklerbüro – gehört (Harz/Schmid, § 24a AGBG Rdn. 3).

Zumindest kann das Tatbestandsmerkmal des Unternehmers im Sinne von § 14 BGB schon bei mehreren Wohnungen erfüllt sein, wenn diese häufiger neu vermietet werden (zu Recht hinweisend: Pfeifer, Das neue Mietrecht 2001 – Ratgeber für die Praxis, Köln, S. 105). Erforderlich ist aber gewerbsmäßiges Handeln. Eine reine Vermögensverwaltung reicht nicht (Börstinghaus, ZGS 2002, S. 5, 6). Deshalb ist richtiger Weise darauf abzustellen, ob ein Unternehmer im hier verstandenen kaufmännischen Sinne mit entsprechendem Umfang tätig ist oder ein Privatmann, der – nur – sein Vermögen verwaltet. Erst wenn die Vermögensverwaltung festgestellt wurde, ist weiter zu fragen, ob der Umfang der Vermögensverwaltung eine büromäßige Organisation erfordert und deshalb die Grenze zum unternehmerischen Handeln überschreitet (zutreffend Hilbert, Anm. zu LG Waldshut-Tiengen, LG Waldshut-Tiengen, Urteil vom 30.04.2008 – 1 S 27/07, InfoM 2008, 472).

Ausnahmen
Aber auch unter diesen Prämissen steht dem Mieter nicht in allen Fällen ein Widerrufsrecht zu. Entscheidend ist hierbei, unter welchen Umständen die Vertragsverhandlungen geführt wurden und wie der Vertragsschluss erfolgt ist. Nur wenn der Vertrag als Fernabsatzvertrag oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, besteht ein Widerrufsrecht.

Vermietung nach Besichtigung
Bei Vertragsschlüssen über Wohnraum besteht kein Widerrufsrecht wenn der Mieter die Wohnung zuvor besichtigt hat. Wichtig ist hierbei, dass alle späteren, im Mietvertrag aufgenommenen Mieter die Wohnung besichtigt haben und die Wohnung auch besichtigt werden konnte (also nicht z.B. mit Umzugsgut noch vollgestellt war). Vorsorglich sollte dies nachweisbar dokumentiert werden. Diese Ausnahme gilt auch nur für Vertragsabschlüsse und nicht für spätere Änderungen des Mietvertrages.

Dennoch muss der Vermieter folgende Punkte beachten:

–       Bei Anrufen wegen des Vertragsabschlusses muss der Vermieter zu Beginn des Telefongespräches seinen Namen und den Zweck des Anrufes angeben;
–       Vereinbarungen, die eine Zahlungspflicht des Mieters über die vereinbarte Miete hinaus begründen, müssen „ausdrücklich“ getroffen werden und
–       das gilt auch für Vereinbarungen, durch die der Mieter verpflichtet wird, ein Entgelt für die Nutzung des vertraglich bestimmten Zahlungsmittels zu zahlen.

 

Vermietung von Wohnraum ohne Besichtigung
Falls vor Abschluss des Vertrages keine Besichtigung stattgefunden hat, gibt es zusätzliche Vorschriften für den Vermieter, falls der Mietervertrag im Rahmen des Fernabsatzes oder außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters abgeschlossen wird.

Ein Fernabsatzvertrag liegt immer dann vor, wenn bei den Vertragsverhandlungen und beim Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel (wie Brief, Telefon, Fax, E-Mail etc.) eingesetzt werden. Zudem muss der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgen. Private Vermieter verfügen in der Regel jedoch über kein solches System. Daher steht Mietern bei Vertragsschlüssen, die der private Vermieter selbst unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln schließt, kein Widerrufsrecht zu. Sollte der private Vermieter bei den Vertragsschlüssen jedoch auf Dritte (Verwalter, Rechtsanwälte, Haus & Grund-Vereine etc.) zurückgreifen, kann dem Mieter ein Widerrufsrecht zustehen.

Bei Verträgen, die innerhalb der Geschäftsräume des Vermieters geschlossen werden, steht dem Mieter ebenfalls kein Widerrufsrecht zu. Private Vermieter verfügen aber in der Regel über keine eigenen Geschäftsräume. Das Wohn- oder Arbeitszimmer in der Privatwohnung des Vermieters stellt keinen Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes dar. Allerdings werden Geschäftsräume von Dritten, die den privaten Vermieter bei den Vertragsschlüssen vertreten (Verwalter, Rechtsanwälte, Haus & Grund-Vereine etc.), wie Geschäftsräume des Vermieters gewertet. Dies gilt jedoch nur, wenn der Dritte den Vermieter bei dem konkreten Vertragsschluss vertreten hat.

Ist der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen in diesem Sinne zustande gekommen, gibt das Gesetz dem Mieter ein Widerrufsrecht binnen 14 Tagen ab Vertragsabschluss. Die 2-Wochen-Frist beginnt jedoch nur zu laufen, wenn der Vermieter seinen Informationspflichten nachgekommen ist. Spätestens ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsschluss erlischt das Widerrufsrecht. Der Vermieter muss den Mieter über 11 Punkte informieren, nämlich

–        die wesentlichen Eigenschaften der Wohnung
–        die Identität, Anschrift und Telefonnummer des Vermieters
–        die Höhe der Miete
–        die Zahlungsmodalitäten und den Vertragsbeginn
–        das Bestehen der gesetzlichen Mängelhaftungsrechte (Minderung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz)
–        die Kündigungsmöglichkeit bei unbefristeten Verträgen
–        die Vertragsdauer bei befristeten Verträgen
–        die Bedingungen der Kaution
–        die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren des Widerrufs
–        das im Bundesgesetzblatt 2013 Teil I, Nr. 58, Seite 3665 abgedruckte Muster-Widerrufsformular (siehe Anhang)
–        den zu leistenden Wertersatz, wenn der Mieter das Widerrufsrecht ausübt, nachdem er von dem Vermieter ausdrücklich
den Beginn des Mietverhältnisses vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hat.

Der Vermieter kann zur Erfüllung dieser Informationspflichten auf den Inhalt eines vorliegenden Mietvertrags sowie auf die genannte Bezugsmöglichkeit des gesetzlichen Musters einer Widerrufserklärung verweisen. Die Verwendung dieses Musters ist aber nicht zwingend; es genügt jede eindeutige formlose Erklärung. Sie ist dennoch dringend zu empfehlen.

 

Anwendungsfälle
Der Vermieter muss seinen Mieter über das Widerrufsrecht insbesondere in folgenden Fällen belehren:

  • Mieterhöhungen nach § 557 BGB
  • Vereinbarungen über Betriebskosten
  • Kautionsvereinbarungen
  • Aufhebungsvereinbarungen mit entgeltlichen Leistungspflichten des Mieters
  • Modernisierungsvereinbarungen mit Leistungspflichten des Mieters
  • Nachträgliche Vereinbarungen (zum Beispiel über Schönheitsreparaturen)

Keine Belehrungspflichten treffen den Vermieter insbesondere in folgenden Fällen:

 

  • Mieterhöhungen nach § 558 BGB, da dem Mieter hier schon nach § 558b BGB eine Überlegungsfrist bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens eingeräumt wird. Diese Regelung dient bereits dem Verbraucher-/Mieterschutz und geht daher als Spezialvorschrift den Regelungen des Widerrufsrechts vor (vgl. AG Spandau, Urt. v. 27.10.2015 – 5 C 267/15 – str.).
  • Mieterhöhungen nach § 559 BGB, da es sich hierbei um einen gesetzlichen Anspruch und keine Vereinbarung handelt.
  • Anpassungen der Betriebskostenvorauszahlungen nach § 560 BGB, da diese keine Vereinbarungen sind, sondern von beiden Seiten einseitig vorgenommen werden können.

 

Das Widerrufsrecht

Steht dem Mieter ein Widerrufsrecht zu, kann er innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss bzw. Vertragsänderung oder -ergänzung formlos widerrufen. Belehrt der Vermieter seinen Mieter erst nach Vertragsschluss bzw. Vertragsänderung oder-ergänzung, beginnt die Widerrufsfrist erst ab dem Zugang der nachträglich erteilten Widerrufsbelehrung zu laufen.

Der Mietvertrag bzw. die Vertragsänderung oder -ergänzung muss dann rückabgewickelt werden. Beide Seiten müssen die jeweils empfangenen Leistungen innerhalb von 14 Tagen zurückerstatten. Der Vermieter muss also beispielsweise dem Mieter sämtliche im Zusammenhang mit dem Mietvertrag erhaltenen Zahlungen zurückgewähren. Der Mieter hingegen kann die tatsächliche Nutzung der Wohnung nicht herausgeben. Er schuldet dem Vermieter nur dann einen Wertersatz, wenn der Vermieter den Mieter hierüber im Rahmen der Widerrufsbelehrung belehrt hat.